Bochum, eine Stadt im Herzen des Ruhrgebiets, wandelt sich. Weg von einem rein industriell geprägten Bild hin zu einer grünen, lebenswerten Metropole, die sich aktiv den Herausforderungen von Klimawandel und Biodiversitätsverlust stellt. Dies geschieht nicht nur auf politischer Ebene, sondern maßgeblich durch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, die mit Spaten, Saatgut und Gemeinschaftssinn ihre Stadt aktiv mitgestalten. Nachhaltiges Gärtnern, die Förderung der Artenvielfalt und innovative Projekte zur Klimaanpassung sind dabei zentrale Säulen dieses Wandels.
Urbane Oasen: Die Vielfalt des nachhaltigen Gärtnerns in Bochum
Das Bild des traditionellen Schrebergartens weicht in Bochum zunehmend einem lebendigen Spektrum an Urban-Gardening-Projekten und Gemeinschaftsgärten. Diese grünen Inseln sind weit mehr als nur Orte der Pflanzenzucht; sie sind soziale Treffpunkte, Experimentierfelder für ökologische Methoden und wichtige Beiträge zur städtischen Lebensqualität. Die Stadt Bochum fördert aktiv diese Entwicklung, beispielsweise durch die Bereitstellung von Hochbeeten für Vereine, Initiativen und Nachbarschaftsgruppen, die öffentliche oder halböffentliche Flächen in produktive und ästhetische Gärten verwandeln. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist das Projekt an der Vereinsstraße in Goldhamme, wo eine einst triste Brachfläche durch bürgerschaftliches Engagement zu einem blühenden Gemeinschaftsgarten wurde.
Gemeinschaftsgärten als Keimzellen des Wandels
Bochum verfügt über eine wachsende Anzahl von Gemeinschaftsgärten, die Neugierige und helfende Hände herzlich willkommen heißen. Namen wie der Hammer Garten, Bergmannshof, die Ruhrstadt-Gartenmiliz oder der Alsengarten stehen exemplarisch für diese grünen Netzwerke. Hier wird gemeinsam gepflanzt, geerntet und Wissen ausgetauscht. Der EssBO! Ernährungsrat Bochum spielt eine wichtige Rolle in der Vernetzung und bietet Workshops zu Themen wie Wurmkistenbau, Pflanzenvermehrung, Gemüseanbau und Wildkräuterkunde an, oft in Zusammenarbeit mit dem Umwelt- und Grünflächenamt. Diese Gärten sind nicht nur Orte der Nahrungsmittelproduktion, sondern auch Räume für Umweltbildung und sozialen Austausch, wo Menschen unterschiedlicher Generationen und Kulturen zusammenkommen.
Permakultur: Inspiration für resiliente Systeme
Einige dieser Projekte, wie der Hof Bergmann und die Permakultur Stadtbauern in Bochum Werne, integrieren die Prinzipien der Permakultur. Permakultur ist ein ganzheitliches Gestaltungssystem, das auf den drei ethischen Grundsätzen „Earth Care (Sorge um die Erde), People Care (Sorge für den Menschen) und Fair Share (Faires Teilen)“ basiert. Es zielt darauf ab, stabile, sich selbst erhaltende Ökosysteme zu schaffen, die natürliche Muster nachahmen. Die Permakultur Stadtbauern beispielsweise gestalten seit 2022 essbare Lebensräume mit natürlichen Materialien, samenfestem Saatgut und alten Obstsorten, und laden Kindergärten, Schulen und Universitäten zur Mitwirkung ein, um die urbane Biodiversität zu fördern.
Biodiversität in der Stadt: Lebensräume für Flora und Fauna schaffen
Als „Kommune für biologische Vielfalt“ engagiert sich Bochum seit 2017 aktiv für den Schutz und die Förderung der Artenvielfalt im Stadtgebiet. Trotz eines limitierten Freiraumangebots – nur 8% Wald und 20% Landwirtschaft – kommt den grüngeprägten Außenbereichen und ehemaligen Industriebrachflächen eine besondere stadtökologische Bedeutung zu. Schutzbemühungen konzentrieren sich darauf, Grünflächen als Lebens- und Rückzugsräume zu erhalten und die urbane Biodiversität zu stärken.
„Bochum blüht und summt“: Ein Paradies für Insekten
Die Kampagne „Bochum blüht und summt“, die 2019 vom Umwelt- und Grünflächenamt ins Leben gerufen wurde, ist ein Paradebeispiel für diesen Ansatz. Sie zielt darauf ab, den Lebensraum von Wildpflanzen und Insekten aufzuwerten und dem Insektensterben entgegenzuwirken. Die Stadt verteilt hierfür gezielt Saatgutmischungen mit heimischen Wildblumen und Pflanzen an die Bürgerinnen und Bürger, um auch private Balkone und Gärten in blühende Inseln zu verwandeln.
Wildblumenwiesen als grüne Lungen
Ein besonders effektives Mittel zur Förderung der Biodiversität ist die Anlage von Wildblumenwiesen. Im Jahr 2023 wurden allein rund 30.000 Quadratmeter neue Wildblumenwiesen an elf Standorten in Bochumer Park- und Grünanlagen geschaffen. Der BUND Bochum unterstützt solche Projekte aktiv, beispielsweise im Westpark, wo eine Fläche von etwa 500 m² mit heimischen Arten (Regiosaatgut) zu einer bunten Blumenwiese entwickelt wurde. Für die Pflege dieser Wiesen kommen spezielle Balkenmäher zum Einsatz, die Insekten und Bodenlebewesen eine Flucht ermöglichen und die Grasnarbe sowie Wurzelbereiche schonen. Das Schnittgut verbleibt einige Tage auf der Fläche, um eine Selbstaussaat zu ermöglichen.
Klimaanpassung: Bochum als „Schwammstadt“ der Zukunft
Der Klimawandel stellt Städte vor große Herausforderungen. Bochum hat den Klimanotstand ausgerufen und das Thema Klimaanpassung als Querschnittsthema in der „Bochum Strategie“ und dem „Klimaplan Bochum 2035“ verankert. Das ehrgeizige Ziel ist es, bis 2035 eine klimaneutrale, erneuerbare „Schwammstadt“ zu werden. Dies bedeutet, die Stadt so zu gestalten, dass sie Regenwasser wie ein Schwamm aufnehmen, speichern und bei Bedarf wieder abgeben kann, um Überflutungen vorzubeugen und gleichzeitig die Verdunstungskühlung zu fördern.
Grüne Infrastruktur als Schlüssel
Maßnahmen zur Klimaanpassung konzentrieren sich auf die Grüne Infrastruktur. Dazu gehören die Begrünung und Entsiegelung von Straßenräumen, die Auswahl klimaresilienter Pflanzen, die Schaffung kleinerer offener Wasserflächen sowie die Beschattung und Bepflanzung öffentlicher Plätze. Innovative Ansätze wie Mulden-Rigolen-Systeme im Straßenbau ermöglichen es, Regenwasser zu sammeln, zu speichern und die Bepflanzung zu filtern, sodass sauberes Wasser langsam versickern kann. Auch die Installation modernster Sensorik zur Echtzeitmessung der Wasserqualität in Regenrückhaltebecken und Teichen trägt dazu bei, die städtischen Gewässer widerstandsfähiger zu machen. „Pocket Parks“ auf Brachflächen und Baulücken schaffen zudem kleine, aber wirksame Naturinseln inmitten der Stadt.
Umweltbildung und Quartierskompost: Wissen teilen, Kreisläufe schließen
Umweltbildung ist ein entscheidender Faktor, um das Bewusstsein für nachhaltige Praktiken zu schärfen und bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Bochum setzt hier auf vielfältige Ansätze. Das Projekt „sevengardens Bochum“ des Kommunalen Integrationszentrums wurde 2024 mit der Nationalen Auszeichnung – Bildung für nachhaltige Entwicklung geehrt. Es nutzt Färberpflanzen, um Integration und BNE spielerisch zu vermitteln und Einsichten in ökologische Zusammenhänge und faire Teamarbeit zu geben. Die „Langen Tage der StadtNatur“ bringen der Bevölkerung die Schönheit und Bedeutung der urbanen Natur näher.
Ein praktischer Beitrag zur Nachhaltigkeit im Quartier ist der Quartierskompost. Das Projekt „Quartierskompost in Goldhamme“ am Naturparadies am Maarbach ermöglicht es der Nachbarschaft, Garten- und Küchenabfälle sinnvoll zu verwerten. Durch kostenlose Workshops werden die Regeln des Kompostierens vermittelt, um Abfälle zu reduzieren und hochwertige Erde und Humus zu gewinnen. Solche Initiativen schließen Kreisläufe auf lokaler Ebene und stärken das Gemeinschaftsgefühl.
Fazit
Bochum hat sich auf den Weg gemacht, eine Vorreiterrolle im Bereich der urbanen Nachhaltigkeit einzunehmen. Durch flächendeckendes nachhaltiges Gärtnern, die Schaffung vielfältiger Lebensräume für Biodiversität, konsequente Klimaanpassungsstrategien und umfassende Umweltbildung wird die Stadt nicht nur grüner und widerstandsfähiger, sondern auch lebenswerter für ihre Bewohner. Das Zusammenspiel von städtischen Initiativen, wissenschaftlicher Expertise der Hochschulen und dem leidenschaftlichen Engagement der Bürgerschaft schafft eine dynamische Entwicklung, die zeigt, wie eine ehemalige Industriestadt zu einem blühenden Beispiel für eine zukunftsfähige urbane Lebensweise werden kann. Die Projekte und Initiativen in Bochum beweisen, dass die Transformation zu einer grünen, klimaresilienten und biodiversen Stadt eine gemeinsame Anstrengung ist, die Früchte trägt – im wahrsten Sinne des Wortes.
Weiterführende Quellen
https://www.lokalkompass.de/bochum/c‑vereine-ehrenamt/brachflaeche-wird-zu-garten_a1734595