Die Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft entscheidet sich maßgeblich auf lokaler Ebene. Kommunen sind dabei keine bloßen Betroffene globaler Herausforderungen wie Klimawandel oder soziale Ungleichheit, sondern zentrale Akteure, die durch gezielte Maßnahmen und Anpassungsstrategien entscheidend zur Bewältigung von Nachhaltigkeitsproblemen beitragen können. Die Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Städten, Kreisen und Gemeinden ist hierfür ein entscheidendes Instrument, um nachhaltiges Handeln vor Ort zu fördern und zu etablieren. BNE befähigt Menschen jeden Alters, durch ganzheitliche und partizipative Bildungsprozesse zukunftsfähig und verantwortungsbewusst zu handeln, indem sie Wissen, Kompetenzen und Werte für ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit vermittelt.
Die Schlüsselrolle der Kommunen für BNE und SDG-Umsetzung
Kommunen tragen eine besondere Verantwortung bei der Förderung von BNE, da sie Bildungslandschaften entlang des gesamten Lebenslaufs gestalten und Bildung als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge verstehen. Die Vereinten Nationen haben 2015 die Agenda 2030 mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) verabschiedet, die auch auf lokaler Ebene umgesetzt werden müssen. Schätzungsweise rund 65 % der Ziele der Agenda 2030 können ohne das aktive Engagement der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften nicht umgesetzt werden. Kommunen sind die Schnittstelle zwischen Bürgern und Politik und gelten als Gradmesser für eine nachhaltige Entwicklung. Sie haben enorme Potenziale, ihre Bildungseinrichtungen zu prägen und Nachhaltigkeit gesamtinstitutionell zu etablieren.
Lokale Nachhaltigkeitsstrategien und Bildungslandschaften
Eine strategische Ausrichtung der Kommune auf Nachhaltigkeit und BNE als „Werkzeug“ für mehr Nachhaltigkeit kann eine Stadt oder Region wirtschaftlich attraktiver machen. Viele Kommunen arbeiten bereits an Nachhaltigkeitskonzepten, um einen Beitrag zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele zu leisten. Diese Strategien dienen der kontinuierlichen Steuerung von Kommunalpolitik und ‑verwaltung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung.
BNE in Bildungslandschaften verankern
Bildungslandschaften bringen formale, non-formale und informelle Lern- und Bildungsangebote zusammen. Wenn diese sich an einer nachhaltigen Entwicklung orientieren, wird eine „BNE-Brille“ aufgesetzt, die neue Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet, wie etwa die Entstehung von Naturlehrpfaden oder neuen Kooperationen. Das BNE-Kompetenzzentrum unterstützt Modellkommunen dabei, Strukturen zu etablieren, die es ermöglichen, BNE-Angebote auf kommunaler Ebene zu entwickeln und zu vernetzen, um allen Menschen Bildung in der Lebenslaufperspektive zu ermöglichen. BNE ist nicht nur ein Ziel (SDG 4.7), sondern auch ein Weg zur Vermittlung und Umsetzung der SDGs.
Bürgerbeteiligung als Motor der Transformation
Die Bürgerbeteiligung ist ein zentraler Pfeiler für eine gelingende nachhaltige Stadt- und Gemeindeentwicklung. Sie ist nicht nur eine demokratische und inhaltliche Selbstverständlichkeit, sondern auch eine Bildungsaufgabe im Sinne der BNE, die kritisches Denken, Teamfähigkeit und Partizipation fördert. Durch die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in Crowdfundingstrukturen und andere Formen der Partizipation können sogar finanzielle Herausforderungen lokal gelöst werden. Eine wirksame Bürgerbeteiligung führt zu einer stärkeren Identifikation mit der eigenen Gemeinde, fördert Engagement und sozialen Zusammenhalt. Initiativen wie die Lokale Agenda 21 haben bereits weltweit vielerorts partizipative Prozesse für eine nachhaltige Entwicklung angestoßen und umgesetzt.
Kommunales Bildungsmonitoring und Akteursnetzwerke
Um die Potenziale der BNE voll auszuschöpfen, ist ein kommunales Bildungsmonitoring unerlässlich. Es unterstützt Akteure in der Bildungslandschaft dabei, steuerungsrelevante Informationen zu generieren und eine fundierte Datengrundlage für strategische Entscheidungen im Bereich der BNE zu schaffen. Obwohl die amtliche Statistik keine spezifischen BNE-Daten bereitstellt, liegt der Fokus auf der Entwicklung von Datenerhebungsinstrumenten und Praxisbeispielen, die Kommunen helfen können. Das Monitoring trägt zur Transparenz bei und macht Handlungsbedarfe deutlich.
Bedeutung von BNE-Akteursnetzwerken
Ein übergreifender Koordinierungsansatz ist notwendig, um die Kooperation in der vielfältigen BNE-Akteurslandschaft zu fördern und Zielkonflikte zu bewältigen. BNE-Akteursnetzwerke sind dabei essentiell für die Vernetzung von Akteuren aus Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft sowie schulischen und außerschulischen Lernorten. Sie bündeln Ressourcen, Erfahrungen und Kompetenzen und fördern die Verbreitung und Legitimation von BNE. Städte wie Hamburg haben mit Initiativen wie „Hamburg lernt Nachhaltigkeit!“ maßgeblich zur Vernetzung und Koordinierung von BNE-Aktivitäten beigetragen.
Herausforderungen und Best Practices
Kommunen stehen bei der Umsetzung von BNE vor vielfältigen Herausforderungen, darunter unterschiedliche infrastrukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen. Die erforderlichen Investitionen in die Nachhaltigkeit sind aus den laufenden Haushalten der Kommunen kaum zu finanzieren. Dies erfordert bessere Finanzierungslösungen und einen konsistenten Instrumentenmix, der auf hohe Akzeptanz stößt und zum Mitmachen anregt.
Beispiele gelungener kommunaler Nachhaltigkeit
Trotz dieser Hürden gibt es zahlreiche Best-Practice-Beispiele, die zeigen, wie nachhaltige Entwicklung in Kommunen erfolgreich umgesetzt werden kann.
- Neumarkt in der Oberpfalz wurde 2012 als „Deutschlands nachhaltigste Stadt mittlerer Größe“ ausgezeichnet. Die Stadt fördert BNE durch eine Nachhaltigkeitskonferenz, einen Klimaschutzpreis und ein Förderprogramm für Mikroprojekte. Bürgerbeteiligung spielt eine große Rolle, und die Stadt ist sowohl lokal als auch international gut vernetzt.
- Aalen hat BNE durch einen Gemeinderatsbeschluss fest im Leitbild verankert und eine wirksame Bürgerbeteiligung sowie Vernetzung der Akteure über ihr Agenda-Büro geschaffen.
- Frankfurt am Main arbeitet seit 2008 mit dem BNE-Konzept und hat ein Netzwerk „Nachhaltigkeit lernen in Frankfurt“ etabliert, das zahlreiche Bildungsprojekte und ‑programme vereint, darunter das „Schuljahr der Nachhaltigkeit“ an allen Grundschulen.
- Hamburg setzt auf eine strukturelle Verankerung von BNE durch strategische Steuerungsinstrumente und die Initiative „Hamburg lernt Nachhaltigkeit!“, die maßgeblich zur Vernetzung und Koordinierung beiträgt.
Diese Beispiele zeigen, dass ein ganzheitlicher Ansatz, der politische Unterstützung, Ressortübergreifende Zusammenarbeit und aktive Bürgerbeteiligung umfasst, der Schlüssel zum Erfolg ist. Das BNE-Kompetenzzentrum hat ein Praxishandbuch veröffentlicht, das Best Practices aus 48 Modellkommunen zusammenfasst und weiteren Kommunen als Ratgeber dient.
Fazit
Die Rolle der Kommunen bei der Umsetzung von Bildung für nachhaltige Entwicklung und den SDGs ist unverzichtbar. Sie sind die zentralen Orte, an denen globale Herausforderungen lokal angegangen und Transformationen angestoßen werden. Durch die Entwicklung und Verankerung lokaler Nachhaltigkeitsstrategien, die Förderung von Bildungslandschaften, die aktive Einbindung der Bürgerinnen und Bürger und den Einsatz von kommunalem Bildungsmonitoring können Kommunen ihre Zukunftsfähigkeit entscheidend gestalten. Trotz finanzieller und struktureller Herausforderungen belegen zahlreiche Best-Practice-Beispiele, dass eine nachhaltige Entwicklung vor Ort gelingen kann, wenn alle Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen. Die kontinuierliche Förderung von BNE, die Stärkung von Netzwerken und die politische Unterstützung sind entscheidend, um Kommunen auf ihrem Weg zu einer nachhaltigeren und resilienteren Zukunft zu begleiten und die Ziele der Agenda 2030 zu erreichen.
Weiterführende Quellen
https://www.kommunales-bildungsmonitoring.de/themen/themenseite-bne
https://sdg-portal.de/de/ueber-das-projekt/warum-sind-sdgs-auch-fuer-kommunen-wichtig